Eine haarige Sache, die Frisurenmode im Rokoko

Wie hat man sich eigentlich frisiert im 18. Jahrhundert...
  ... hat man immer Perücken getragen?
  ... hoch aufgetürmte Lockenfrisuren?
  ... hat man die Haare weiß gefärbt?

Solche Fragen stellen sich immer wieder und es gibt viele Interpretationen.

Man sieht Zeichnungen mit Karikaturen, Rokokoperücken mit weiß glänzenden Kunsthaar-löckchen, Kreationen aus Büffelhaar usw.


Vieles entspricht aber sicher nicht dem realen Bild. Bestimmt hat auch so mancher Theaterdirektor (damals und heute) das Thema Perücken spektakulär in Szene gesetzt, um den Unterhaltungswert seines Stückes zu steigern – nach dem Motto „große weiße Lockenpracht“, das kommt gut an beim Publikum!

Und wahrscheinlich gibt‘s über keine andere Zeit mehr Übertreibungen! 



Auf Gemälden von Rokoko-Malern kann man erkennen, dass bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts „kleine Frisuren“ getragen wurden. Gegen Ende des Jahrhunderts  „höhere, üppigere Frisuren“.
Dass Männer eher Perücken getragen haben – Frauen eher nicht.
Man sieht weiße Haare, gräuliche Haare, naturfarbene Haare – bei Männern auch weiße- und naturfarbene Perücken.
Natürlich haben die Maler von damals ihre Auftraggeber oft vorteilhafter dargestellt, als sie in Wirklichkeit ausgesehen haben (sie wollten ja Folgeaufträge und Geld verdienen). Das betrifft aber eher das Aussehen (Gesicht/Figur) – weniger die Mode (Frisurenmode).


Was hat die Dame getragen?
  • Die Kopf-nahe Frisur
Frauenfrisuren waren in der meisten Zeit des 18. Jahrhunderts kleine Frisuren, eng am Kopf. Bilder von Nattier, Boucher, Fragonard, Liotard, Pesne, Batoni (um nur einige zu nennen) zeigen Frisuren in allen Naturhaarfarben in weiß und grau - vermutlich mit Puder behandelt.

Puder – gab es nämlich auch in grau oder blond – nicht nur in weiß. Es soll sogar ein Rezept für rötliches Puder überliefert sein. Puder bestand aus Stärke – aus Reis- Weizen- Kartoffelmehl.
Wozu? - Man konnte damit sicher schönes Volumen ins Haar zaubern, Haare festigen, formen und tönen (vermutlich der Vorgänger vom heutigen Haarfestiger und Haartönung).
Bei Zeremonien, Festen, Bällen und bei Hofe, hatte man in „Galakleidung“ – der sogenannten „Grand Parure“ – zu erscheinen. Dazu gehörte auch eine passende elegante Frisur - die vermutlich auch gepudert war.

Perücke – die Dame war sicher stolz auf ihr schönes Haar und hat keine Perücke verwendet.
Warum auch, es war genügend eigenes Haar vorhanden (außer die Dame hatte schütteres, dünnes Haar!). Ein Beispiel – Madame Pompadour. Sie ist öfters mit hochgezogenem Zopf im Nacken und Löckchen um die Stirn von Herrn Boucher gemalt worden. 
Auch schafwoll-lockige Kurzhaarfrisuren sieht man oft - genannt à la Mouton (wie ein Schaf).

 
  • Die voluminöse, hohe Frisur
Erst so ab ca.1770, zum Ende des Rokoko, wurden die Frisuren langsam höher und voluminöser. Um das zu erreichen wurden Drahtgestelle und Haarteile verarbeitet.
Ein Beispiel – Marie Antoinette, Königin von Frankreich, gemalt von Élisabeth Vigée-Lebrun. Weitere Gemälde auf denen das gut zu sehen ist von: Thomas Gainsborough, Francois Dumont, Angelika Kauffmann u.v.m.

Dieser Frisurenstil wird oft fälschlicherweise dem ganzen 18. Jahrhundert zugeschrieben!




Was hat der Herr getragen?

Männer trugen öfters Perücken – warum, das liegt in der Natur der Sache, denn viele Männer neigen zu einem "breitem Scheitel" (damals wie heute). Sie hatten deshalb zu wenig Haar auf dem Kopf, um es modisch zu frisieren. Die restlichen eigenen Haare wurden abrasiert, so dass die Perücke gut und bequem saß und der Hitzestau unter der Perücke nicht zu groß wurde.

  • Die Bourse (Beutelperücke)
Herren Frisuren und Perücken in der Mitte des Jahrhunderts sind auch „nah am Kopf“.
Ein paar Locken ums Gesicht, die übrigen Haare nach hinten gekämmt, in einem schwarzen
Stoffbeutel verstaut und fertig war die Bourse – die Beutelperücke.


  • Der preußische Zopf
Gegen Mitte des Jahrhunderts kommt der preußische Zopf in Mode (mit schwarzem Band umwickelt) inspiriert durch‘s preußische Militär (dem jungen „Alten Fritz“).

Diese beiden Arten waren die modischen Herrenfrisuren. Ab ca. 1780 wurden diese auch üppiger, genau wie die Damenfrisuren.

  • Die Allonge Perücke:  
Ein Überbleibsel aus dem Barock. Dieses Modell wurde – von wohl nicht ganz so modischen Herren – getragen. 

 
Waagrechte Lockenröllchen an der Seite des Kopfes nannte man „Ailes de Pigeon" = Taubenflügel. Sie entwickelten sich aus der Allongeperücke. Anfangs bestanden sie aus mehreren Löckchen, dann zwei-, später nur noch aus einer Locke pro Seite.

Aber wieso ein Stoffbeutel, was ist eine Beutelperücke?
Hier kommt jetzt wieder Puder ins Spiel. Damit Puder auf der Perücke haften blieb und nicht herab rieselte, wurde sie vorher mit Pomade behandelt – dann eingepudert und fertig war der weiße oder farbige Schimmer.
Diese fettige Mischung war nicht unproblematisch. Das Gemisch sollte natürlich nicht auf dem schönen, wertvollen seidenen Anzug oder auf dem Hemd kleben. Deshalb wurde der Zopf in den Stoffbeutel gepackt.
Im Ludwigsburger Modemuseum im Schloss ist ein Herren-Anzug ausgestellt, auf dem man gut erkennen kann, was Fett am Kragen oder Ausschnitt anrichten konnte.



Damals war eine richtig gute Perücke aus Menschenhaar und wer sich‘s leisten konnte, trug eine solche Perücke. Die günstigen Modelle waren aus Tier Haar. Vermutlich haben Frauen (meist jüngere Frauen) ihr langes Haar geopfert und aus Geldnot verkauft. Daraus wurden Perücken gefertigt (es gab sicher noch keinen Asienimport). 


Kommentare